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Buchcover von E. Xammar "Das Schlangenei"

Eugeni Xammar

Das Schlangenei

Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922-1924

Berenberg Verlag, Berlin 2007.
179 Seiten, 21,50 €, ISBN 3937834230

Im Herbst 1922 beginnt der damals 34jährige katalanische Journalist Eugeni Xammar als Korrespondent aus Berlin für katalanische und Madrider Tageszeitungen zu berichten. Der zweite Demokratieversuch der Deutschen, die nach dem Ersten Weltkrieg ausgerufene „Weimarer Republik", ist gerade vier Jahre alt. Das Land leidet unter einer gigantischen Inflation und den im Versailler Vertrag ausgehandelten Reparationszahlungen an die Siegermächte. Über deren Höhe können sich die Staatsführer nicht einigen, die Wirtschaft ist gelähmt und die Geldscheine können gar nicht so schnell gedruckt werden wie die Währung verfällt. „Drei Billionen fünfhundert Milliarden Mark", so lautet der Beginn eines Artikels (von Eugeni) und gibt damit die Summe für Deutschlands veranschlagten Staatshaushalt des Jahres 1923 wieder. Kurzum, es herrscht Chaos in Deutschland und das beschreibt und analysiert Eugeni sehr genau. Mit ironischer Distanz zeichnet er die politischen Parteien, ihre Funktionäre und ihre Aktionen. Er reist durch die Großstädte Deutschlands und verschafft sich vor Ort ein Bild der Zustände und der politischen Splittergruppen, ist so gut informiert wie kaum ein anderer Korrespondent.

Am Puls der Zeit

Die goldenen Zwanziger Jahre stehen erst noch bevor. Nationalisten bekämpfen die junge Republik. Neben den materiellen Kriegsnachwirkungen erschüttern Anschläge und politische Morde das Land. Ein Verzug bei den Reparationszahlungen führt 1923 zur Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Soldaten. Es bildet sich passiver Widerstand, Separatistenbewegungen entstehen. Eugeni liefert - immer nüchtern - Augenzeugenberichte und kommentiert das Geschehen. „Es gibt wenig Eindrucksvolleres als einen gut organisierten und inszenierten Putsch...Es gibt Reden, Geschrei, patriotische Lieder und Bier. Vor allem Bier." schreibt der katalanische Journalist kurz nach seiner Ankunft in München, wo Hitler im November 1923 seinen ersten großen Auftritt hat und -noch- scheitert. Einen Abend im Münchener Bürgerbräukeller, in dem Hitler und seine nationalsozialistische Gefolgschaft Revolver knallen lassen und hitzige Reden halten, schildert Eugeni als groteske theatralische Inszenierung. Er hat Gelegenheit den späteren Diktator zum Interview zu treffen. „Adolf Hitler oder die entfesselte Dummheit" überschreibt er seinen resümierenden Artikel dazu. Alles zeigt sich darin, was später die Welt erschüttern soll, politischer Chauvinismus, Rassenideologie, Gewaltverherrlichung und -bereitschaft, auch wenn Hitler hier noch als eitler Ignorant, Sektierer und laute Witzfigur erscheint.

Eugenis Artikel sind eine journalistische Perle im Papiermeer historischer Schilderungen und Analysen, ein zeitgeschichtliches Kleinod. Der engagierte Berenberg Verlag hat diesen Schatz gehoben. Man kann ihm dafür nicht dankbar genug sein.