Der Brockhaus Wein
Was ist der Unterschied zwischen Sekt und Champagner? Welche Weine altern am besten? Was ist eine Auslese, dazu noch eine trockene?
Hier im Unterschied zu meiner Rezension des Brockhaus "Kochkunst" eine klassische Rezension.
Was sie schon immer über Wein wissen wollten, jetzt können sie es leicht und schnell herausfinden. Die Ikone deutscher Nachschlagewerke, der Brockhaus-Verlag hat sich des Themas Wein angenommen und eine handliche Enzyklopädie herausgebracht. Und der Grund ist denkbar einfach. Etwas oberflächlich ausgedrückt: Das Thema Wein ist in. Vorbei die Zeit, in der teure Flaschen in geheimen Zirkeln geschlürft wurden. Keine Tages- oder Wochenzeitung kommt mehr ohne ihre Gastro- und Weinkolumne aus. Weinproben und Seminare werden zum Freizeit- und Bildungsgut wie der Theaterbesuch oder der Gang ins Kino. Hinzu kommt, dass Weinbücher -gewichtige Fachwerke und Ratgeber für Schnäppchenjäger- inzwischen Legion sind. Die Zeit war also reif für ein Buch, das Weinwissen für alle bietet. Und genau das bietet der Brockhaus reichlich.
Große Namen - komplexe Zusammenhänge
Wussten Sie, dass Riesling und Chardonnay gemeinsame Vorfahren besitzen, dass die Bezeichnung "Sekt" englische Wurzeln hat - so bezeichneten die Angelsachsen in früheren Zeiten weißen Likörwein -, aber ebenso französische (vin sec: trockener Wein).Kleine Erhellungen am Rande. Doch auch im Kernbereich ist das Angebot üppig. Wo liegen Wonnegau und Kaiserstuhl? Wie heißen die besten Lagen der Südlichen Weinstraße, die auch Südpfalz genannt wird? Schweigener Sonnenberg, Birkweiler Kastanienbusch, Mandelberg und Rosenberg. Was hier unvollständig bleiben muss, der Brockhaus traut es sich zu. Und das ist gut so. Darüber streiten können die Fachleute immer noch. Endlich ein Buch, indem man auch die jüngsten Errungenschaften in Sachen 'deutsches Weinetikett' nachschlagen kann. Die Begriffe 'Classic' und 'Selection' werden kurz und bündig erklärt, ebenso die deutschen Bezeichnungs-Klassiker von 'Kabinett' bis 'Trockenbeerenauslese'. Warum soviel deutsche Wein-Präsenz in einem Lexikon, das alles erklären will? Nun ganz einfach.
"Der Wein-Brockhaus ist ganz speziell für deutsche Leser geschrieben.", sagt Dr. Eckhard Supp, redaktioneller Leiter des Lexikons und ein bunter Hund in der internationalen Weinszene. Seit Ende der 70er veröffentlicht er Artikel und Bücher zum Thema Wein, seit einigen Jahren bietet seine Homepage üppiges Weinwissen und der Mann spricht fließend Englisch, Französisch und Italienisch, was in der Branche eine gute und wichtige Voraussetzung ist. "Speziell für deutsche Leser geschrieben" heißt nicht etwa auf Deutschland beschränkt. Im Gegenteil. Zwar findet man hier mehr über Riesling, Elbling und Müller-Thurgau als in anderen Weinbüchern, aber ebenso werden die sagenumwobenen Begriffe "Grand Cru" und "Villages" erklärt, die oft für Verwirrung sorgen. Nicht ohne Grund, wie Eckhard Supp betont:" Wenn wir nur die geographische Strecke von Burgund bis an die südliche Rhone nehmen, hat "Villages" schon drei oder vier verschiedene Bedeutungen, und das Lexikon versucht, genau diese drei oder vier verschiedene Bedeutungen und ihr jeweiliges Gültigkeitsgebiet auch darzustellen." Mehr kann ein solches Lexikon, nicht leisten, fügt er hinzu. Meine Zustimmung ist ihm sicher.
Fachliches für jedermann
Dann gibt es ja auch noch die Begriffe, die Kenner wie Seminarleiter gerne im Nebensatz fallen lassen: "Süßreserve", "Botrytis-Ton" oder "Barrique-Note". Keine Angst, der Brockhaus hilft weiter. Und auch zum gängigen wie seltsamen Begriff "trocken" bekommt man schnell Aufklärung. Da gibt es die allgemeine Bedeutung für's Weingesetz "ohne deutliche Restsüße im Geschmack" und dann noch die Definition mit dem genauen Maß von Zucker und Säure. Außerdem den interessanten Hinweis, dass "trocken" beim Wein und "dry" beim Sekt noch lange nicht dasselbe bedeutet.
Wer nun meint, der Brockhaus sei für Laien geschrieben, irrt mächtig. Analysierende und kommentierende Artikel bieten auch den kundigen Genießern einiges. Weinsprache, Weinhandel und nicht zuletzt Weinmoden werden unter die Lupe genommen, vom Edelzwicker-Boom in den 70ern bis zur Chardonnay-Sucht der 90er und auch dem jüngsten Trend, der Chardonnay- und Cabernet Sauvignon verdammt. Das heiße Eisen der Mostkonzentration wird kühl und nüchtern behandelt, ebenso wie der wichtige und zugleich mystisch überladene Begriff "Terroir". All das, nicht ohne die resümierende Worte, dass auch für Profis zum Weinprobieren eine gehörige Portion Demut gehört, "gegenüber einem Produkt, dem man sich jahrzehntelang annähert, ohne es je vollständig begreifen zu können" (S.461).
Grau ist alle Theorie, aber im Brockhaus ist sie mit farbigen Bildern versehen und von unnötigem Ballast befreit. Nirgendwo wird Weinwissen in einem Buch knapper, anschaulicher und zugleich übersichtlicher geboten als hier. - Wer über Wein schreibt, muss ihn natürlich auch probieren. Und wieviel probiert man so als Kenner? Von seinen Mitarbeitern kann Eckhard Supp das nicht sagen. Er selbst hat seit Anfang der 90er rund 35.000 Weine kommentiert. Was auf eine nicht zu schätzende Zahl von 50-100.000 verkosteten Weinen hinausläuft. Klingt nach luxuriösem Leben, ist aber anstrengend.
Bisher gab es den traditionell zu verehrenden Großen Johnson, die große Jancis Robinson mit ihrem Oxford Weinlexikon für detailhungrige Liebhaber, jetzt gibt es den Brockhaus, kompakte Information, die für jeden etwas bietet.