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Buchcover von P. Parin "Die Leidenschaft des Jägers"Paul Parin

Die Leidenschaft
des Jägers

Paul Parins Buch handelt von einem Gesellschaftsphänomen, das meist nur durch die Diskussion zwischen seinen Gegnern und Anhängern wahrgenommen wird: die Jagd. Parin geht es darum, diese menschliche Neigung in ihrem Kern zu betrachten und ihm gelingt das auf beeindruckend plastische Art. Er schickt vorweg:

Die wirkliche Jagd ist ohne vorsätzliche Tötung nicht zu haben. Leidenschaftlich Jagende wollen töten. Jagd ohne Mord ist ein Begriff, der sich selber aufhebt. Und weil es sich um Leidenschaft, Gier, Wollust handelt -um ein Fieber eben - geht es in diesem Buch um sex and crime.

Das ist keine Koketterie, sondern ernstgemeinte Vorausschau. Parin erzählt von seinem ersten Samenerguss, als er mit dreizehn einen wilden Hahn im slovenischen Wald schießt. Er schildert die ritualisierte Gewalt, die Regeln der Englischen Jagd, berichtet von brutalen Erziehungsmethoden mit der Peitsche und vom Morden während des Zweiten Weltkriegs. 200 Seiten, auf denen nicht nur Ort, Zeit und Handlung häufig wechseln, sondern auch die Position des Erzählers. Mal spricht Parin von der eigenen Geschichte und eigenen Gefühlen, mal richtet er den sezierenden Blick des Wissenschaftlers auf die Jäger und flechtet dabei Zitate von Schriftstellern und Philosophen ein, mal erzählt er die Erlebnisse eines Jungen nach, dessen Eltern von Soldaten getötet werden, und der später als Geschichtsprofessor in den USA ihm Parin von seinen Erfahrungen mit der Jagdleidenschaft erzählt und als etablierter Akademiker versucht, das anständige Gangstertum zu schaffen.

Den Job des Gangsters fand ich in Ordnung. Jeder Beruf, der die Familie ernährte, war so gut wie ein anderer; das hatte ich von den Quäkern gelernt. "Nur das Morden sollten sie sein lassen", dachte ich.

Haselhuhnschießen in Slovenien, Gazellenjagd im Senegal und Geldtransporter knacken in Amerika. Meist sind es Männer, die Hitze, Kälte und Gefahr nicht mehr wahrnehmen, von einem inneren Feuer getrieben -eben der Jagdleidenschaft- jede Anstrengung auf sich nehmen, um das Ziel ihrer Begierde zu erlegen. Manchmal ist der Anteil der körperlichen Lust nur vermittelt zu spüren, mal wird er drastisch direkt beschrieben, brutal und vulgär, wie bei der Züchtigung eines Schülers mit dem Bambusstock und seiner anschließenden Vergewaltigung durch den Lehrer.

Dieses Buch sprengt jedes Genre, verbindet Kindheitserinnerungen mit kulturwissenschaftlichen Beschreibungen, ist persönlicher Erlebnisbericht und dramatische Erzählung zugleich. Die so klar und einfach formulierten Geschichten, die keineswegs den Anspruch von Objektivität tragen, sind mehr als reine Darstellung. Sie sind eine in Bildern gefasste Analyse menschlichen Verhaltens. Paul Parin ist Psychonalytiker und einer der wenigen noch lebenden Universalgelehrten. In "Die Leidenschaft des Jägers" ist er wie in vielen anderen seiner Bücher auch der virtuose Literat.

Wenn man über Jagd schreibt, muss man über geschlechtliche Lust schreiben und über Grausamkeit und Verbrechen.

Paul Parin hat all das beschrieben, hautnah, aber ohne Voyeurismus, beurteilend, aber ganz und gar ohne moralischen Zeigefinger. "Die Leidenschaft des Jägers" ist - ob als Literatur oder als psychologisches Fachwerk - ein brillantes Buch, wenn auch sicher an manchen Stellen schwer verdaulich.

Ergänzung: Paul Parin ist am 18. Mai 2009 in Zürich gestorben. Seine Werke seien jedem empfohlen, der sich dafür interessiert, wie menschliches Verhalten entsteht und der beim Lesen von Fachliteratur nicht auf ästhetischen Genuss verzichten will.

http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Parin